30. Oktober 2009
Baumeister A. Stackenschneider
Der Name des Baumeisters A. Stackenschneider ist weit bekannt. In der Geschichte der russischen Architektur nimmt er einen bestimmten Platz ein als Vertreter der Periode des fruehen Eklektismus. Das Stadtzentrum von St. Petersburg ist ohne seine Werke undenkbar. Das sind zum Beispiel Marien-Palast auf dem Isaaks-Platz, der ehemalige Palast des Grossfuersten Nikolaj Nikolaewitsch auf dem Platz der Arbeit, Nowo-Michajlowski-Palast am Schloss-Kai, der Palast der Fuersten Belosselski-Beloserski an der Ecke des Newski-Prospekt und des Fontanka-Flusses. Viele seine Bauten sind auch in den Vororten von Sankt Petersburg.
Am 22. Februar 1802 ist in der Familie des Deutschen Johann Stackenschneiders, des Besitzers einer in vier Wersten von Gattschina am Fluss Pudost liegenden Muehle, der Sohn Heinrich geboren, der spaeter russisch Andrej Iwanowitsch genannt wurde.
Sein Grossvater, Friedrich Stackenschneider wurde Ende des 18. Jahrhunderts vom Kaiser Paul I. aus dem Herzogtum Braunschweig fuer die Einrichtung der Laderbetriebe bestellt.
Als Kind zeichnete Heinrich am liebsten. 1815 liess der Vater den Jungen an der Akademie der Kuenste studieren, aber da er Auslaender war, musste Friedrich Stackenschneider fuer die Ausbildung seines Sohnes Studiengebuehren zahlen. Heinrich Stackenschneider hat den voller Kurs nicht beendet, weil die Familie bald verarmte. Er musste in den Dienst ziehen, um selbstaendig fuer das Leben zu verdienen.
Im Jahnuar 1821 wurde er technischer Zeichner beim Komitee fuer Bauten und hydraulische Arbeiten, das Auguste Montferrand leitete. Unter seiner Fuehrung schliff Stackenschneider seine architektonischen Kenntnisse. Montferrand hat nicht nur hervorragende Faehigkeiten seines Schuelers hoch eingeschaetzt, sondern auch kuemmerte sich um ihn staendig. Ohne Montferrands Hilfe und Protektion haette Stackenschneider im Dienst nicht aufruecken koennen und, wie andere Helfer des bekannten Architekten, spielte immer die zweite oder die dritte Rolle bei der Verwirklichung der fremden Projekte, weil er Auslaender war und immer noch keinen Dienstrang hatte.
Ab Juni 1825 arbeitete Stackenschneider als Zeichner bei der Kommission fuer die Errichtung des Isaaks-Kathedrale, d. h. unter Leitung von Montferrand, mit dem Gehalt von 1200 Rubel pro Jahr.
Die mehrstuendige taegliche ermuedende Arbeit und die schwere materielle Lage waren offenbar der Grund seiner Erkrankung. 1830 wendete sich Montferrand mit einer Bitte an die Kommissinmitglieder, Stackenschneider wegen seiner schwachen Gesundheit einen Urlaub fuer ein Jahr mit der einmaligen Geldunterstuetzung von 2000 Rubel zu gewaehren.
Im Laufe des Aufenthalts im Ausland ging es ihm besser, er studierte Denkmaeler westeuropaeischer Architektur. Nach der Rueckkehr strebte er nach der selbstaendigen schoepferischen Arbeit und reichte im November 1831 ein Gesuch ueber seine Entlassung vom Dienst ein.
Stackenschneider bekam den Auftrag, den Marien-Palast zu entwerfen und zu bauen. Der Auftrag ging vom Kaiser Nikolaj I. aus, der Palast war fuer seine Tochter Maria bestimmt.
Die Hauptfassade des Palastes ist mit einer Menge von Kolonnen, mit Boegen des Haupteingangs und dreieckigen Giebeln verziert. Das Erdgeschoss des Gebaeudes, das mit grob geschliffenen Stein ausgestattet ist, dient als eine maechtige Stuetze fuer die oberen Stockwerke. Die breite Treppe fuehrt feierlich zum Haupteingang. Fuer die Ausstattung der Fassade verwendete Stackenschneider Sandstein, der am Fluss Luga gewonnen wurde. Der Baumeister fuhr mehrmals selbst zum Steinbruch und pruefte die Qualitaet des Steines.
Bei der Errichtung des Palastes verzichtete Stackenschneider auf das Holz. Es wurde vorwiegend Metall und Stein verwendet. Aus Holz wurden nur die Parkettfussboeden und die Tueren gefertigt. Im Inneren ueberraschte der Palast durch die Pracht von Zimmerfluchten. Die Interieurs des Palastes waren sehr reich ausgestaltet. Die prunkvolle Empfangsrotunde, der Quadratsaal, der Wintergarten, der Konzertsaal und das von Spiegeln glaenzende und mit gemustertem Seidenstoff bezogene Boudoir - alles war einzigartig und mit feinem Geschmack ausgestattet.
Der Marien-Palast war noch nicht ganz fertig, als A. Stackenschneider einen neuen grossen Auftrag bekam: einen Palast fuer die Fuersten Belosselski-Beloserski auf dem Newski-Prospekt zu bauen.
Die Aufgabe war nicht einfach. Man durfte die Gestalt des Newski-Prospekts nicht verletzen und musste gleichzeitig den Stroganow-Palast und die Anitschkow-Bruecke beruecksichtigen. Stackenschneider hat das neue Gebaeude des Palastes so entworfen, dass es gleichsam zwei Fassaden bekommen hatte: zum Newski-Prospekt und zur Fontanka gewandt. Die beiden Fassaden sahen feierlich aus.
Eigentuemlich ist auch die innere Anlage des Palastes - die Haupttreppe , die Bibliothek, das Foyer, der Kleine und der Grosse Golden Saal. Dort gab es viele Stuckverzierungen, elegante Tueren, malerische Parkettboeden aus verschiedenen Holzarten, Malerei und Skulpturen. Der Palas der Fuersten Belosselski-Beloserski wurde im Laufe von zwei Jahren von 1846 bis 1848 gebaut.
Stackenschneider wurde zu einem modischen Architekten. Er baute viel, vor allem in Peterhof. 1842 - 1844 entstanden der Zarin-Pavillon, danach der Olga-Pavillon und der Rosen-Pavillon.
Ausser Pavillons baute Stackenschneider auch Palaeste: nicht weit von Peterhof fuer die Herzogs Leuchtenberger, das Seewochenendhaus fuer die Fuersten Dolgoruki, den Farmerpalast fuer Alexander II. und anderes mehr. In Pawlowsk errichtete er das Bahnhofsgebaeude, wo es spaeter grosse Konzerte veranstaltet wurden, wo die Musik von Glinka und Tschajkowski erklang und Johann Strauss dirigierte.
Der Baumeister bekam Rangerhoehungen. 1851 war A. Stackenschneider schon Staatsrat. Er leitete alle Bauarbeiten in den kaiserlichen Vorortresidenzen. In der Akademie der Kuenste war er zum Professor der Architektur gewaehlt und hatte mehrere Schueler.
Die Belastung war riesig. Aber er war ungewoehnlich fleissig, ausserordentlich ehrlich und stand gut zu seinen Kollegen und Schuelern.
1852 hat Stackenschneider ein altes Haus an der Millionnaja-Strasse gekauft und es umgebaut.
Ab Herbst 1854 veranstaltete Stackenschneider die sogenannten "Samstage", wo es Dichter, Kuenstler, Architekten, Bildhauer, Schauspieler sich versammelten. Hier kamen Turgenew und Dostojewski, Gontscharow, Grigorowitsch und Pomjalowski; Dichter Jakow Polonski und Apollon Majkow, der Architekt Alexander Bruellow, Professor der Malerei Fjodor Bruni und der beruehmte Moebelmeister Gambs zusammen. Man sang, zeichnete, fuehrte Vorstellungen auf.
Zwei letzte grosse Arbeiten Stackenschneiders in Sankt Petersburg waren der Nowo-Michajlowski-Palast am Schloss-Kai und der Nikolaewski-Palast auf dem Blagoweschtschenski-Platz.
Als Stackenschneider diese Bauten beendete, war er schon schwer krank. Im Fruehling 1865 ist er nach Samarer Gouvernement gefahren, um mit Kumyss behandelt zu werden. Die Kur hat nicht geholfen. Auf dem Rueckweg ist A. Stackenschneider gestorben.
Labels:
Die Petersburger Deutsche